MZ-Artikel vom 03.07.2020, S. 7 (Aufmacher Lokalteil)
Tradition neu beleben
DENKMALSCHUTZ Ein Dessauer kauft das Lohelandhaus auf der Alten Bibel. Wie der 61-Jährige das geschichtsträchtige Objekt nach der Sanierung einmal nutzen möchte.
VON TORSTEN ADAM
Stefan Giese-Rehm bei ersten Säuberungsarbeiten vor dem geschichtsträchtigen Lohelandhaus am Rand des Stadtparks Alte Bibel. (Pülicher)
BERNBURG/MZ Seit Jahren war es öffentlicher Zankapfel Nummer eins in Bernburgs Politik. Nun liegt das Schicksal des Lohelandhauses nicht mehr in städtischer Hand. Der 61-jährige Diplom-Theologe Stefan Giese-Rehm aus Dessau hat nach der Ausschreibung (siehe Beitrag „Die Geschichte des Lohelandhauses“) vom Stadtrat den Zuschlag für den Erwerb des 1571 Quadratmeter großen Areals am Rand des Stadtparks Alte Bibel erhalten. In zwei Wochen soll der Kauf notariell besiegelt werden.„Jetzt dürften alle glücklich sein“, sagt Holger Dittrich, Dezernent für Stadtentwicklung. Die einen, weil ein Denkmal unter neuer Regie erhalten bleibt, die anderen, weil sie eine nicht abreißbare Immobilie losgeworden sind. Als Mindestpreis verlangte die Stadt 16.930 Euro, der den eigenen Anschaffungskosten entspreche. Von Stefan Giese-Rehm erhält sie laut Holger Dittrich nun etwas mehr als den Mindestpreis. Ein zweiter Interessent habe weniger Geld geboten und damit nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprochen.Aufmerksam geworden war Stefan Giese-Rehm auf das Grundstück durch einen Lohelandhaus-Vortrag von Joachim Grossert Anfang März in Dessau beim Verein für Anhaltische Landeskunde, „dessen Mitglied ich bin.“ Gut drei Wochen später besichtigte er das Areal, drückte sein Angebot der Mitarbeiterin der Stadtverwaltung gleich in die Hand, nachdem er vor Ort auf keine böse Überraschung mehr gestoßen war. Über das geschichtsträchtige Haus mit seinen schönen Details wie der Runddecke im Gymnastikraum oder den aufschwenkbaren Terrassentüren hatte sich der 61-Jährige zuvor bereits ausführlich in den Schriften von Olaf Böhlk informiert. „Die Herausforderung schreckt mich nicht. Ich habe Vorerfahrungen mit der Denkmalsanierung.“ So habe er gebürgt für die Rettung des Dessauer Schwabehauses, dem der Abriss erspart blieb. Und auch die nötige Zeit kann der langjährige Stadtrat mitbringen. „Ich bin nicht mehr erwerbstätig. Meine Frau verdient unser Geld. Ich kümmere mich um Haus, Hof, Kinder“, sagt der vierfache Vater.Ein klar definiertes Nutzungskonzept hat der künftige Eigentümer noch nicht in der Tasche. Aber ungefähre Vorstellungen, was alles auf dem Areal passieren könnte. „Auf jeden Fall möchte ich eine Ausstellung zur Geschichte des Hauses und zum Leben von Magdalene Trenkel einrichten“, sagt der gebürtige Mönchengladbacher, der nach der Wiedervereinigung nach Dessau zog, um dort die Nachwende-Strukturen der Caritas mit aufzubauen. Der Katholik rückte so auch seinen familiären Wurzeln etwas näher: sein Vater stammt aus Königsberg, seine Mutter aus Dresden. Nach Bernburg hat er ebenfalls eine Verbindung, nicht nur wegen der Freunde, die er seit Jahren regelmäßig hier besucht. „Der Bruder meines Großvaters soll hier gewohnt haben, ich verifiziere das gerade.“ Sehr gern möchte Giese-Rehm die Tradition des Hauses aufleben lassen. „Für Gymnastik- und Tanzkurse wäre es ja prädestiniert.“ Auch der Garten sei für kulturelle Veranstaltungen geeignet. Ideal fände der Dessauer eine Kooperation mit lokalen Akteuren wie der Kulturstiftung. Gespräche mit potenziellen Partnern führe er bereits. Zumal sich Stefan Giese-Rehm bewusst ist, die notwendige Sanierung nicht allein stemmen zu können. Die Stadtverwaltung hatte Kosten von 230.000 Euro errechnen lassen. Der baldige Besitzer rechnet sich aber gute Chancen aus, Fördermittel fürs Denkmal akquirieren zu können. In einem ersten Schritt will er das 85 Jahre alte Holzhaus aber erst einmal an Wasser, Abwasser und Strom anschließen lassen. Da der Stadtpark derzeit umgestaltet und gesperrt ist, biete es sich an, diese Arbeiten vorzuziehen. Neugierige dürfen sich auf den 13. September freuen. Zum Tag des offenen Denkmals will Stefan Giese-Rehm interessierte Besucher ins Lohelandhaus einladen.
Die Geschichte des Lohelandhauses
Magdalene Trenkel, Tochter eines Bernburger Gymnasiumsdirektors, ließ sich in klassischer Gymnastik bei Hedwig von Rohden und Louise Langgaard ausbilden, die beide später nahe Fulda die Reformsiedlung Loheland gründeten – ein Ort für selbstständig handelnde Frauen. Sie gab zunächst in Weimar Kurse, ab 1923 in Bernburg in der heutigen Stadthalle auf der Alten Bibel, ab 1926 bei schönem Wetter auch im nahen Lohelandgarten, wo 1935/36 ihr eigenes Gymnastikhaus entstand. Bis in die 1960er Jahre betreute Commichau-Trenkel – den zweiten Familiennamen nahm sie in den frühen 1940er Jahren vom Vater ihrer Tochter an – hier Kinder mit Haltungsschäden. Sie starb 1967 in Bernburg.
Die Stadt Bernburg erwarb das vom Kaninchenzuchtverein gepachtete Holzhaus vor sieben Jahren aus Privatbesitz mit dem Ziel, es abzureißen und an seiner Stelle bis zu 40 Parkplätze zu errichten. Doch ein Jahr später stellte die Obere Denkmalschutzbehörde das Objekt als Baudenkmal mit besonders hohem Interesse an seinem Erhalt unter Schutz. Einem Abrissantrag der Stadt erteilte das Landesverwaltungsamt im vergangenen Herbst eine Abfuhr, woraufhin der Stadtrat eine Ausschreibung zum Verkauf der Immobilie beschloss. TAD
„Die Herausforderung schreckt mich nicht.“
Stefan Giese-RehmBaldiger Lohelandhaus-Besitzer