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MZ Pressebericht „Ein Stück Moderne bewahrt“

MZ-Artikel vom 11.08.2020, S. 19 „Kultur & Leben“

MZ-Artikel vom 11.08.2020, S. 19 „Kultur & Leben“

Ein Stück Moderne bewahrt

LOHELAND-HAUS Der Abriss ist abgewendet, nun zieht neues Leben in das Bernburger Denkmal der Reformbewegung, einem Dessauer zum Dank.
Die Bernburger Gymnastiklehrerin Magdalene Trenkel (1894-1967) ließ das Holzhaus 1935/36 als Übungsstätte errichten. FOTO: ARCHIV LOHELAND-STIFTUNG

VON GÜNTER KOWA

BERNBURG/MZ – Der Retter kam aus Dessau. Als die Stadt Bernburg nach der Ablehnung ihres Abrissantrags für das Lohelandhaus am Denkmalschutz scheiterte und die in den Augen der Abrissbefürworter sogenannte „Bretterbude“ zum Verkauf stellte, trat der ehemalige „Bürgerliste“- Stadtrat Stefan Giese-Rehm auf den Plan und gab ein Angebot knapp über Mindestwert ab. Das seit Jahren leerstehende einstöckige Gebäude mit eigenem Gartengrundstück am Rand des Stadtparks „Alte Bibel“ und einer bemerkenswerten Geschichte im Umfeld der Lebensreformbewegung des frühen 20. Jahrhunderts darf nun schrittweise auf eine Wiederbelebung im Geiste bürgerschaftlichen Engagements hoffen.
Giese-Rehm, Jahrgang 1959, katholischer Diplom-Theologe mit Familiensinn – vier Kinder und selbst mit acht Geschwistern aufgewachsen -, daher ohne kirchliche Laufbahn, hatte den teils erbitterten kommunalpolitischen Streit lange aus der Nachbarstadt verfolgt. Im Gespräch mit dem Bernburger Heimathistoriker Joachim Grossert und anderen Akteuren wuchs sein Interesse an dem ebenso bescheidenen wie einzigartigen baulichen Erbe der Bernburger Pädagogentochter Magdalene Trenkel (1894-1967). Er sorgt nun dafür, dass in Bernburg das Andenken an diese Praktikerin der einst weit verbreiteten Loheland-Methode wieder dauerhaft ins Blickfeld rückt.

Eine mutige Pionierin

Zur Erinnerung: Im Jahr 1914 begann Magdalene Trenkel ihre Ausbildung bei den Gründerinnen der „Loheland“-Methode der Körperschulung Hedwig von Rohden und Lousie Langgaard in Kassel. 1916 öffnete sie eine Praxis in Weimar, trat 1919 vor Bauhäuslern auf und weckte das Interesse von Gropius, war zur Fortbildung in Gymnastik an der im gleichen Jahr gegründeten Loheland- Siedlung bei Fulda, und ließ sich 1923 wieder in Bernburg nieder. Vier Jahre später pachtete sie das Gartengrundstück, um Übungen im Freien anbieten zu können, bis sie 1935 einen Kredit bekam für den Bau des Holzhauses (auf steinernem Sockel), für das es wiederum ein Vorbild in der Loheland-Siedlung gab, und das die damals gefragte Güstener Holzbau-Firma Lohmüller errichtete.
Sowohl die Biografie einer mutigen Pionierin weiblicher Berufs- Selbständigkeit, obendrein alleinerziehenden Mutter, als auch die baulichen Besonderheiten des Gebäudes machen das Bernburger Lohelandhaus zu einem Ort der Moderne. Nun, da der Stadtratsbeschluss, diesen einem Parkplatz zu opfern, vom Tisch ist, kann er zu einer neuen Würde zurückfinden. Er ist Loheland- Zeugnis einerseits, sogar dem letzten eines ehemals deutschlandweit verbreiteten Netzwerks, und andererseits ein wenn auch spätes Dokument modernen Bauens in Holz.
„Der Respekt vor der Aufgabe hat zugenommen“, sagt Giese- Rehm, „aber ich fühle mich wohl damit.“ Er kann das deshalb sagen, weil er in Dessau viel Erfahrung mit Hausbau und Sanierung gesammelt hat, aktiv war und ist zum Beispiel im Verein Schwalbe- Haus oder der „Ölmühle“ in Roßlau, was mit der Sanierung von Denkmalen Hand in Hand ging. „Nun gibt es auch in Bernburg eine Gruppe von Leuten, die mitziehen.“ Seine Aufgabe sieht er „im Sinne von Ermöglichung.“ Der Kontakt ist geknüpft zu dem Fachmann für Holzbau und emeritierten Professor der Hochschule Eberswalde, Wolfgang Rug, der schon in der Vergangenheit Interesse an dem Bernburger Bauwerk gezeigt und eine Projektarbeit von Studenten in Aussicht gestellt hatte.
Doch bis die Fördermittel eingeworben sind, um das Gebäude zu sichern, Anschlüsse zu legen und es für eine breite Nutzung aufzuwerten, wird noch einige Zeit vergehen. „Bis dahin“, sagt Stefan Giese-Rehm, „wird man nur den Freibereich nutzen können“, sprich den Loheland-Garten, wie schon in Magdalene Trenkels Anfangsjahren.
Als erstes will die vor Längerem gegründete Bernburger Bauspielplatz- Initiative das Angebot wahrnehmen und mit Holz, Werkzeug und Nägeln anrücken, um die Kreativität von Kindern durch Hämmern und Bauen zu beflügeln. „Alles weitere ist Zukunftsmusik“, sagt Giese-Rehm.

Start am 13. September

Damit sie aber schon mal im Stillen spielen kann, knüpft er Kontakte zu potenziellen Mitwirkenden, zum Bauhaus Dessau zum Beispiel, zum Bauhaus-Museum Weimar, aber auch zu den Sachwaltern des Loheland-Erbes. Das ist einerseits der Loheland-Verein, der im wesentlichen die Rudolf- Steiner-Schule in Künzell- Loheland (bei Fulda) betreibt und das Archiv der Bewegung hütet, und andererseits der am gleichen Ort ansässige Loheland- Ring, dem „Zusammenschluss der Freunde und Lehrer/-innen der Loheland-Lehrweise“.
Vertreterinnen dieser quasi „aktiven“ Loheländerinnen im Sinne Magdalene Trenkels waren bereits im vergangenen Jahr zu einer öffentlichen Veranstaltung am Loheland-Garten zu Gast, und wollen das auch im laufenden Jahr wiederholen, freilich unter Corona-Vorzeichen. Das wird am 13. September, dem Tag des Offenen Denkmals sein, dem passenden Datum für den öffentlichkeitswirksamen Start des Bernburger Lohelandhauses in seine neue, künftige Existenz.

„Der Respekt vor der Aufgabe hat zugenommen.“

Stefan Giese-Rehm, Lohelandhaus-Besitzer